nets21 – Kolloquium

Kolloquium 11

22.10.2025, PHZH, LAB-G016

Inhalte

In der Projektpräsentation (Disstertation) von Dilan Cümen (PH Bern) wird der Stellenwert von Geschwistern im Kontext literaler Resilienz untersucht. Das Forschungsdesign kombiniert qualitative und quantitative Methoden, um die Rolle von Geschwistern im Prozess des Lese- und Spracherwerbs zu beleuchten. Das Team von Sinja Ballmer et al. (PH Zug) befasst sich in seinem Projekt mit Sprachkompetenz-Überprüfungen an Deutschschweizer PHs im systematischen Vergleich. Ausserdem werden mündliche und schriftliche Kompetenzanforderungen für (angehende) Kindergarten- und Primarlehrpersonen formuliert, auf deren Grundlage sprachliche Kompetenzen transparent und systematisch ins Curriculum eingebettet werden könn(t)en.

Im Anschluss soll der informelle Austausch bei einem gemeinsamen Apero im Restaurant „piu“ weitergeführt werden. Wir freuen uns über zahlreiche Interessierte!

Organisation

Britta Juska-Bacher (PH Bern)

Programm

Mittwoch, 22.10.2025

15:15

Begrüssung

15:15 – 16:45

Projektpräsentation

«Also ich helfe sie manchmal beim ABC Schreiben und manchmal bei Mathematik.» – Geschwister als Lernbegleiter:innen

Dilan Cümen (PH Bern)
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16:45 – 17:15

Kaffeepause

17:15 – 18:45

Projektpräsentation

Transparente Anforderungen an die Sprachkompetenzen angehender Lehrpersonen an Deutschschweizer PHs: Stand der Diskussionen

Sinja Ballmer, Jonathan Tadres, Judith Kreuz, Nadine Nell & Sabrina Roggenbau (PH Zug)
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ab 18:45

Ausklang

Ausklang mit informellem Austausch bei einem gemeinsamen Apero im Restaurant „piu“. Wir freuen uns über zahlreiche Bleibende!

Abstracts Fachvorträge

Dilan Cümen (PH Bern): «Also ich helfe sie manchmal beim ABC Schreiben und manchmal bei Mathematik.» – Geschwister als Lernbegleiter:innen

Der Frage, welche Ressourcen den Erwerb der Lesekompetenz bei Kindern in Familien mit Migrationshintergrund beeinflussen, wird in der bildungswissenschaftlichen Forschung seit Jahren nachgegangen. Der Fokus liegt dabei primär auf der Elternrolle, insbesondere auf deren sozioökonomischen Faktoren wie etwa Sprach- und Bildungskapital (Schnell et al., 2015). Die Rolle von Geschwistern wurde dagegen bislang wenig berücksichtigt, obwohl sie im familiären Alltag einen entscheidenden Beitrag leisten können – insbesondere dann, wenn Eltern beispielsweise das Schulsystem nicht kennen oder über begrenzte sprachliche Ressourcen verfügen.

In meiner Dissertation untersuche ich den Stellenwert von Geschwistern im Kontext literaler Resilienz, verstanden als die Fähigkeit von Kindern, trotz erschwerter Ausgangsbedingungen erfolgreich literale Kompetenzen zu entwickeln (Appels et al., 2024; Schneider, 2010). Ausgangspunkt bildet die Annahme, dass Geschwister als Unterstützungsfiguren bedeutsamer sind als bisher angenommen, da sie im Alltag häufig eine unmittelbare Begleitung beim Lernen darstellen, die über die der Eltern hinausgehen kann (Delgado, 2020; Kibler et al., 2014).

Das Forschungsdesign kombiniert qualitative und quantitative Methoden, um die Rolle von Geschwistern im Prozess des Lese- und Spracherwerbs zu beleuchten. Im Rahmen des SNF-Projekts «Lesen in der Zweitsprache Deutsch (LiZD)», das die Lese- und Wortschatzkompetenzen von rund 400 Kindern über drei Jahre quantitativ untersucht, wurden zusätzlich 21 leitfadengestützte Kindersowie 13 Elterninterviews durchgeführt. So können Zusammenhänge zwischen familialen Dynamiken und messbaren Leseleistungen aufgezeigt werden.

Erste Ergebnisse zeigen, dass Geschwister vielfältige Funktionen übernehmen, die für den Erwerb literaler Kompetenzen relevant sind. Beispielsweise beeinflussen sie die im Alltag zwischen Geschwistern gesprochenen Sprachen, fungieren je nach Geburtenreihenfolge als Vorbilder und Vorleser: innen und unterstützen bei schulischen Aufgaben, indem sie Fragen beantworten, eigene Aufgaben erstellen oder motivieren, Dinge zu üben. Diese Ergebnisse unterstreichen, dass Geschwister nicht nur ergänzende Helfer, sondern auch zentrale Akteure bei der Entwicklung literaler Resilienz sein können.

Die Präsentation gibt Einblick in die Interviewdaten, das methodische Vorgehen und stellt zentrale Ergebnisse zur Diskussion.

Literatur
Appels, S., Van Viersen, S., Van Erp, S., Hornstra, L., & De Bree, E. (2024). A scoping review on wordreading
resilience in literacy: Evaluating empirical evidence for protective factors. Learning and Instruction,
93, 101969. https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2024.101969

Delgado, V. (2020). Decoding the Hidden Curriculum: Latino/a First-Generation college students’ influence on younger siblings’ educational trajectory. Journal of Latinos and Education, 22(2), 624– 641. https://doi.org/10.1080/15348431.2020.1801439

Kibler, A. K., Palacios, N., & Baird, A. S. (2014). The influence of older siblings on language use among Second‐Generation Latino preschoolers. TESOL Quarterly, 48(1), 164–175. https://doi.org/10.1002/tesq.151

Schneider, H. (2010). Literale Resilienz – Wenn Schriftaneignung trotzdem gelingt. In A. Bertschi- Kaufmann & C. Rosebrock (eds.), Literalität. Bildungsaufgabe und Forschungsfeld (pp. 203–216). Beltz Juventa. http://hdl.handle.net/11654/15116

Schnell, P., Fibbi, R., Crul, M., & Montero-Sieburth, M. (2015). Family involvement and educational success of the children of immigrants in Europe. Comparative perspectives. Comparative Migration Studies, 3(1). https://doi.org/10.1186/s40878-015-0009-4

Sinja Ballmer et al. (PH Zug): Transparente Anforderungen an die Sprachkompetenzen angehender Lehrpersonen an Deutschschweizer PHs: Stand der Diskussionen

Das Projekt TASk DiFö («Transparente Anforderungen an die Sprachkompetenzen angehender Lehrpersonen: gezieltes Diagnostizieren und Fördern der Schulsprache Deutsch») verfolgt das Ziel, die Chancengerechtigkeit im Lehramtsstudium zu stärken, indem sprachliche Anforderungen an Lehrpersonen klar definiert, transparent gemacht und in förderorientierte Strukturen überführt werden.

Pädagogische Hochschulen stehen vor der doppelten Herausforderung, einerseits genügend Lehrpersonen auszubilden und andererseits sicherzustellen, dass diese über die notwendigen sprachlichen Kompetenzen verfügen, um erfolgreich zu studieren und später sprachbildend im Unterricht tätig zu sein. Erfahrung und Forschung zeigen, dass Studierende beim Studienbeginn sehr unterschiedliche sprachliche Voraussetzungen mitbringen. Sprachdefizite erhöhen das Risiko für Studienabbrüche – ein zentraler Faktor im aktuellen Kontext des Lehrpersonenmangels.

Das von swissuniversities geförderte Projekt TASk DiFö setzt hier an: Einerseits erhebt das Projekt erstmals die Sprachkompetenz Überprüfungen an Deutschschweizer PHs und vergleicht diese systematisch. Andererseits werden mündliche und schriftliche Kompetenzanforderungen für (angehende) Kindergarten- und Primarlehrpersonen formuliert. Auf dieser Grundlage sollen in den kommenden Projektphasen sprachliche Kompetenzen transparent und systematisch ins Curriculum eingebettet werden – auch im Sinne einer konsequenten Förderorientierung.

TASk DiFö ist ein Kooperationsprojekt der PH Zug und der PH Luzern. Weitere Pädagogische Hochschulen sind als Soundingboard in den Prozess eingebunden. Das Soundingboard begleitet die Entwicklung
und diskutiert die Ergebnisse kritisch, so dass die erarbeiteten Kompetenzformulierungen und Konzepte breit abgestützt sind und von verschiedenen PHs adaptiert werden könnten.

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