nets21 – Kolloquium
Kolloquium 10: Schreiben lernen
02.06.2025, PHZH, LAA-K041
Informationen
Anmeldung: judith.kreuz@phzg.ch
Inhalte
Das zehnte Kolloquium widmet sich zwei Forschungsprojekten, die sich mit dem (digitalen) Schreibenlernen und dem Schriftwissen auf der Primarstufe befassen.
In der Projektpräsentation von Larissa Greber (PH Zürich) wird untersucht, wie Erstklässler:innen beim silbenbasierten Schreiben vorgehen (implizites operatives Rechtschreibwissen) und welche Rolle dabei explizites Rechtschreibwissen spielt. Martina Conti (PH St. Gallen) befasst sich in ihrem Projekt mit einem Literaturreview zu digitalen Lehr- und Lernsettings im Schreibunterricht. In der Datensitzung werden Kodierschema und Datenauswertung (N = 83 relevante Publikationen) diskutiert.
Im Anschluss soll der informelle Austausch bei einem gemeinsamen Apero im Restaurant „Reithalle“ weitergeführt werden. Wir freuen uns über zahlreiche Interessierte!
Organisation
Judith Kreuz & Stefan Hauser (PH Zug)
Abstracts Fachvorträge
Larissa Greber (PH Zürich): Umgang mit (silbischem) Schriftwissen am Schulanfang
Die Frage, welche Methode sich besonders dafür eignet, Kinder im Anfangsunterricht beim Lesen- und Schreibenlernen zu unterstützen, ist seit vielen Jahren Gegenstand divergierender fachlicher Positionen, insbesondere in Bezug auf den (Recht-)Schreiberwerb. Die Debatte flammt regelmässig neu auf, wenn neue bzw. noch unvertraute Methoden im Unterricht Verwendung finden. So ist aktuell in der Schweiz zu beobachten, dass Lehrmittel auf den Markt gekommen sind, die den Schriftspracherwerb nach der silbenanalytischen Methode (SAM) modellieren.
Im Vergleich zu herkömmlichen Lehrmitteln steht bei SAM im Anfangsunterricht nicht die Vermittlung des Lautprinzips im Vordergrund, sondern der systematische Zugang zur deutschen Wortschreibung über die Struktur der Schrift. Entsprechend spielt der Aufbau silbischen Schriftwissens im Unterricht eine zentrale Rolle. Der Nutzen dieses Wissens sowie dessen Zugänglichkeit für Kinder werden allerdings kontrovers beurteilt. So stehen schriftstrukturelle Ansätze auch in der Kritik, den Schüler:innen beim Schreiben zu viel analytische Arbeit abzuverlangen und damit den Lernprozess unnötig zu erschweren.
Im Rahmen des vom Forschungsfonds der PHZH finanzierten Projekts wurde untersucht, wie Erstklässler:innen beim silbenbasierten Schreiben vorgehen (implizites operatives Rechtschreibwissen) und welche Rolle dabei explizites Rechtschreibwissen spielt. Von besonderem Interesse war, wie Kinder ihr strukturelles Basiswissen nutzen (können), um die Schreibung „neuer“ Wörter herzuleiten. Weiter interessierten wir uns dafür, wie sich die Rechtschreibleistungen in Abhängigkeit vom Vorwissen zu Beginn des Schuljahres entwickeln.
Im Zentrum der Untersuchung stehen drei Unterstufenklassen, die während des ersten Schuljahres begleitet wurden.
Das Rechtschreibwissen wurde in Form von leitfadengestützten Interviews erhoben, während derer die Kinder Einzelwörter verschrifteten und aufgefordert wurden, die Schreibung der Wörter herzuleiten und zu begründen. Insgesamt wurden 81 Interviews mit 27 Schüler:innen zu drei verschiedenen Zeitpunkten durchgeführt. Parallel dazu wurden die Rechtschreibleistungen der Kinder während des ersten Schuljahres im Abstand von 8 bis 12 Wochen erhoben. Der Fokus lag dabei auf der Verschriftung strukturell einfacher Wörter sowie Wörtern mit orthografischen Markierungen.
Die Präsentation gibt Einblick in das methodische Vorgehen und stellt zentrale Ergebnisse zur Diskussion.
Literatur
Brinkmann, Erika und Hans Brügelmann. 2014. Konzeptionelle Grundlagen und methodische Hilfen für den Rechtschreibunterricht. Berlin-Brandenburg: LISUM.
Rautenberg, Iris. 2022. „Didaktische Ansätze zum Schriftspracherwerb.“ In Schriftsprach- und Orthographieerwerb: Erstlesen, Erstschreiben, hg. v. Christa Röber und Helena Olfert. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, 54-77. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
Bredel, Ursula. 2022. „Der Aufbau von elementarem Wissen über die Systematik der Orthographie deutscher Wörter.“ In Schriftsprach- und Orthographieerwerb: Erstlesen, Erstschreiben, hg. v. Christa Röber und Helena Olfert. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, 349-73. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
Martina Conti (PH St. Gallen): Überblick über digitale Schreibförderansätze auf Primarstufe (4.-6. Klasse): Arbeitsprozess zur Erstellung eines systematischen Reviews
Schreiben ist ein komplexer kognitiver Prozess (Hayes & Flower, 1980), der viele Schreibnoviz:innen vor grosse Herausforderungen stellt und in einer hohen Zahl schwach schreibender Schüler:innen repräsentiert ist (Graham, 2019). Insbesondere diese schwach Schreibenden sind beim Schreibenler-nen auf didaktisch sinnvolle und dem Leistungsstand der Schüler:innen entsprechende Unterstützung angewiesen (Unger, 2023). Die voranschreitende Digitalisierung eröffnet hierfür neue, vielverspre-chende digitale Formen der Schreibförderung (Little et al., 2018; Philipp, 2017; Williams & Beam, 2019). Erste Meta-Analysen können belegen, dass digitale Lehr- und Lernformate im Schreibunter-richt wirksam sind (Goldberg et al., 2003; Little et al., 2018; Wen & Walters, 2022). Bisherige Über-blicksarbeiten zur digitalen Schreibförderung konzentrieren sich jedoch auf eher spezifische Formen des digitalen oder digital-unterstützten Schreibens (z.B. Textverarbeitung mit dem Computer; Gold-berg et al., 2003) bzw. differenzieren verschiedene Formen von digitalen oder digital-unterstützten Lehr- und Lernsettings anhand eher technischer Kriterien (z.B. Online-Programme versus andere Formate; Wen & Walters, 2022). Ein umfassender Überblick, der eine Grosszahl an relevanten Merk-malen in den Blick nimmt, welche digitale Lehr- und Lernsettings im Schreibunterricht charakteri-sieren können, fehlt. Ein solches Review mit Fokus auf der Primarstufe (4.-6. Klasse) ist gerade im Rahmen des PHSG-Projekts «DEEP Digital literacy participation on a writing platform (myMoment)» (gefördert von der Jacobs Foundation im Rahmen des Forschungskonsortiums DEEP) im Entstehen.
Das Review verfolgt bei der Literaturrecherche einen systematischen Ansatz (Zawacki-Richter et al., 2020). Im Anschluss werden die als relevant identifizierten Studien mithilfe eines Kodierschemas auf eine grosse Anzahl an charakteristischen Merkmalen von digital unterstützten Lehr- und Lernset-tings hin untersucht. Dazu wurde induktiv-deduktiv ein Kodierschema erstellt. Auf Grundlage rele-vanter Literatur wurden deduktiv a-priori potenziell bedeutende Kategorien identifiziert, welche ak-tuell während der Datenauswertung induktiv verfeinert und ergänzt werden. In der Datensitzung soll der Schwerpunkt entsprechend auf dem Kodierschema und der Datenauswertung liegen (Stand 14.04.12: N = 83 relevante Publikationen). Zudem werden erste ausgewählte Resultate präsentiert.
Die finalen Resultate des Reviews werden unter anderem an der FDD Tagung 2025 in Kreuzlingen mit besonderem Fokus auf Feedback entsprechend dem Tagungsschwerpunkt vorgestellt..
Literatur:
Goldberg, A., Russell, M., & Cook, A. (2003). The Effect of Computers on Student Writing: A Meta-analysis of Studies from 1992 to 2002. The Journal of Technology, Learning and Assessment, 2(1). https://ejournals.bc.edu/index.php/jtla/article/view/1661
Graham, S. (2019). Changing How Writing Is Taught. Review of Research in Education, 43(1), Article 1. https://doi.org/10.3102/0091732X18821125
Hayes, J., Richard, & Flower, L. (1980). Identifying the Organization of Writing Processes. In Cogni-tive processes in Writing (S. 3–30). Erlbaum. https://doi.org/10.4324/9781003580126-15
Little, C. W., Clark, J. C., Tani, N. E., & Connor, C. M. (2018). Improving writing skills through tech-nology-based instruction: A meta-analysis. Review of Education, 6(2), 183–201. https://doi.org/10.1002/rev3.3114
Philipp, M. (2017). Wirksame Schreibförderung—Metaanalytische Befunde. In Forschungshandbuch empirische Schreibforschung (S. 187–202). Waxmann.
Unger, V. (2023). Diagnostik und Förderung schreibdidaktischen Wissens angehender Lehrkräfte. Waxmann Verlag GmbH. https://doi.org/10.31244/9783830997658
Wen, X., & Walters, S. M. (2022). The Impact of Technology on Students’ Writing Performances in Elementary Classrooms: A Meta-Analysis. Computers and Education Open, 3, 100082. https://doi.org/10.1016/j.caeo.2022.100082
Williams, C., & Beam, S. (2019). Technology and writing: Review of research. Computers & Educa-tion, 128, 227–242. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2018.09.024
Zawacki-Richter, O., Kerres, M., Bedenlier, S., Bond, M., & Buntins, K. (Hrsg.). (2020). Systematic Reviews in Educational Research: Methodology, Perspectives and Application. Springer Fachme-dien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27602-7.
