nets21 – Sommertagung

Fachliche Lehr-Lernprozesse und ihre Sprachlichkeit

10.-11.06.2022, PH FHNW, Brugg-Windisch

Informationen

Teilnahmegebühr: CHF 120 (regulär), CHF 80 (reduziert*)
Conference Dinner: CHF 50

*Zur reduzierten Gebühr sind Nachwuchsforschende ohne feste Anstellung (resp. ohne Spesenvergütung) berechtigt.

Thema

Die Sommertagung 2022 widmet sich dem Thema «Fachliche Lehr-Lernprozesse und ihre Sprachlichkeit» aus der Sicht verschiedener Fachdidaktiken, wie Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte und Sprache. Im Fokus steht dabei eine Auslegeordnung, die die fachspezifischen Sichtweisen auf das Thema «Sprache» bzw. die fachspezifische Sprachlichkeit im Diskurs sichtbar machen soll.
In vier Fachvorträgen aus verschiedenen Disziplinen wird die jeweilige fachdidaktische Perspektive auf die Bedeutung der Sprache für fachliche Lehr-Lernprozesse beleuchtet. Dabei geht es z.B. um

  • die Rolle der Sprache im Fach als Kommunikationsmedium des Wissenstransfers und als Werkzeug des Denkens,
  • die fachspezifischen sprachlichen Voraussetzungen und Herausforderungen für die Lernenden,
  • den Einfluss der Sprache und der Sprachkompetenzen auf Fachwissen, -kompetenz, und -leistung,
  • die Chancen einer interdisziplinär-fachdidaktischen Bearbeitung von Fragen zu sprachbedingten Lehr-Lernprozessen, die auf eine umfassende Sprachbildung und eine bessere Teilhabe aller Lernenden am (schulischen) Lernen zielen.

Am Freitagvormittag werden in zwei Methodenworkshops (insbesondere für Nachwuchswissenschaftler:innen) sprachliche Prozesse und ihre Erforschung hinsichtlich möglicher qualitativer und quantitativer Zugänge in den Blick genommen.
Geplant sind zudem Kurzvorträge von Nachwuchsforschenden sowie ein Abschlussplenum mit Diskutant:innen.
Bitte melden Sie sich für die Tagung über den obenstehenden Link (Anmeldeformular) an.

Organisation

Rebekka Studler, Judith Kreuz, Claudia Hefti,
Afra Sturm, Stefan Hauser, Dieter Isler, Britta Juska-Bacher, Hansjakob Schneider

Programm

Freitag, 10. Juni 2022

9:15 – 10:45

Workshops Teil I

Workshop 1
Vignettenbasiertes Lernen

Marita Friesen (PH Heidelberg) & Afra Sturm (PH FHNW)
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Workshop 2
Qualitative Zugänge der Bildungsforschung

Frank Oberzaucher (Universität Konstanz)
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10:45 – 11:00

Kaffeepause

11:00 – 12:30

Workshops Teil II

Workshop 1
Vignettenbasiertes Lernen

Marita Friesen (PH Heidelberg) & Afra Sturm (PH FHNW)
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Workshop 2
Qualitative Zugänge der Bildungsforschung

Frank Oberzaucher (Universität Konstanz)
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12:30 – 13:30

Mittagspause

13:30 – 14:00

Begrüssung

Begrüssung: Afra Sturm (PH FHNW)

Grusswort: Guido McCombie (PH FHNW)

14:00 – 15:15

Hauptvortrag

Sprachbedingte Lehr-Lernprozesse interdisziplinär-fachdidaktisch modellieren

Claudia Schmellentin (PH FHNW)
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15:15 – 15:45

Kaffeepause

15:45 – 17:00

Hauptvortrag

Fachspezifische Sprachkompetenz als Gegenstand und Medium des historischen Lernens

Olaf Hartung (Universität Paderborn)
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17:15 – 17:45

Kurzvorträge I
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Textverstehensstrategien von SuS der Sekundarstufe I beim Lesen komplexer Biologietexte

Eliane Gilg (Universität Basel / PH FHNW)

Assistive Technology – Eine aussichtsreiche Möglichkeit für Schüler:innen mit Lese-Rechtschreib-Störung?

Silvana Flütsch (PH Zürich / Université de Fribourg)

17:45 – 18:15

Kurzvorträge II
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Argumentation zu gesellschaftlichen Problemstellungen: Eine Mixed-Methods-Studie zum argumentativen Schreiben und Diskutieren bei Schüler:innen der Sekundarstufe 2

Nicole Ackermann (PH Zürich)

ab 18:15

Conference Dinner

Samstag, 11. Juni 2022

9:00 -9:45

Beratungsangebot

Mitglieder nets21 & beratende Professor:innen (nach Anmeldung)

9:30 – 10:00

Eintreffen / Kaffee

10:00 – 11:15

Hauptvortrag

Mathematik sprachbezogen und fachfokussiert unterrichten: Wozu, wie und mit welchem Ergebnis?

Esther Brunner (PH Thurgau)
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11:15 – 12:30

Hauptvortrag

„Fachlernen als Sprachlernen“ – Verbale Sprache als Gegenstand, Medium und Indikator naturwissenschaftlicher Lehr- und Lernprozesse

Christoph Gut-Glanzmann (PH Zürich)
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12:30 – 13:30

Mittagessen

13:30 – 14:30

Abschlussplenum

Abschlussplenum mit Diskutantin

Anke Schmitz (Universität Lüneburg)

Abstracts Hauptvorträge

Sprachbedingte Lehr-Lernprozesse interdisziplinär-fachdidaktisch modellieren – Claudia Schmellentin (PH FHNW)

Sprache gilt als Schlüsselkompetenz für schulischen und beruflichen Erfolg und für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Ein erheblicher Teil der Jugendlichen in den deutschsprachigen Ländern verfügt jedoch nicht über die notwendigen sprachlichen Fähigkeiten, um am schulischen Lernen teilhaben zu können. Um diesem Missstand entgegenzuwirken, wurde eine durchgängige Sprachbildung (Gogolin & Lange, 2010) gefordert: Sprachbildung sollte horizontal über die Fachgrenzen und vertikal über die Bildungsstufen hinweg explizit und kohärent strukturiert sein (vgl. Schneider et al., 2012). Die Forderung nach durchgängiger Sprachbildung betrifft alle Akteure des Bildungssystems, was die Implementierung von Konzepten zu durchgängiger Sprachbildung – wie beispielsweise auch des im Bildungsraum Nordwestschweiz entwickelten Konzepts des «Sprachbewussten (Fach-)Unterrichts» – erschwert (Schmellentin, 2019). Gefordert sind insbesondere auch die Fachdidaktiken, und zwar nicht als Einzeldisziplinen, sondern in interdisziplinärer Zusammenarbeit: Abhängig von verschiedenen Wissensbeständen und Denkstrukturen pflegen die unterschiedlichen Schulfächer und -stufen jeweils verschiedene literale Praktiken und Sprachregister. Diese müssen einerseits empirisch aufgedeckt werden, andererseits müssen auf dieser Grundlage didaktische Konzepte erarbeitet werden, die es erlauben, sprachbedingte Lehr-Lernprozesse bei allen Unterschieden so doch möglichst kohärent zu modellieren. Nicht zuletzt müssen Lehrpersonen befähigt werden, diese Konzepte in fachübergreifender Zusammenarbeit so umzusetzen, dass die Schüler*innen über die Schuljahre hinweg lernen, agil und situationsadäquat mit sprachlichen Anforderungen umzugehen. Im Beitrag sollen am Beispiel von Textverstehen auf der Sekundarstufe I Chancen einer interdisziplinär-fachdidaktischen Bearbeitung von Fragen zu sprachbedingten Lehr-Lernprozessen, die auf eine umfassende Sprachbildung und eine bessere Teilhabe aller Lernenden am (schulischen) Lernen zielen, diskutiert werden.

Fachspezifische Sprachkompetenz als Gegenstand und Medium des historischen Lernens – Olaf Hartung (Universität Paderborn)

Ein sprachsensibler Geschichtsunterricht reflektiert den wechselseitigen Zusammenhang von Sprach- und Geschichtslernen. Zudem ist er bemüht, fachinhaltliches und sprachliches Lernen angemessen miteinander zu verknüpfen. Ein integratives Verständnis von Fach- und Sprachlernen umfasst sowohl ein metasprachliches Bewusstsein für die Funktionen, Formate und Prozeduren sprachlichen Handelns als auch die Reflexion der Bedingungen für den domänenspezifischen Gebrauch sprachlicher Mittel sowie Kenntnisse über die Möglichkeiten zur Förderung entsprechender Kompetenzen. Die für das historische Lernen wichtigen Funktionen sprachlicher Dekontextualisierung und (meta-)kognitiver Reflexivität basieren prinzipiell auf den distanzsprachlichen Formaten und Prozeduren des an den Regeln des Schriftsprachgebrauchs orientierten Sprachregisters der Bildungssprache. Deren Besonderheiten sollen von den Schülerinnen und Schülern im oft mündlich dominierten Fach Geschichte mindestens rezeptiv beherrscht werden, um z.B. historische Quellen und Darstellungen und die darauf bezogenen Arbeitsaufträge verstehen zu können. Zugleich fordert und fördert der heutige Geschichtsunterricht auch zunehmend fachsprachliche Fähigkeiten zur Herstellung eigener Geschichtsnarrationen, damit Schülerinnen und Schüler selbst Geschichte erzählen können. Schließlich benötigen auch Geschichtslehrkräfte fachspezifische Beschreibungskriterien sprachlicher und fachlicher Kompetenzen, um die Lernergebnisse und Leistungsstände ihrer Schülerinnen und Schüler angemessen diagnostizieren und bewerten zu können. Aus diesen Gründen thematisiert der Beitrag das domänenspezifische Repertoire an diskurspragmatischen Funktionen (schrift-)sprachlicher Werkzeuge, die Geschichtslernende für den Lernerfolg im Fach Geschichte benötigen. Das heißt, die für die Kommunikation über Geschichte typischen Formen (schrift-)sprachlicher Mittel werden anhand von Beispielen ihres regelmäßigen Gebrauchs differenziert nach ihren textgrammatischen und diskurspragmatischen Besonderheiten vorgestellt. Darauf aufbauend untersucht der Beitrag Fördermöglichkeiten zur fachintegrierten Sprach- und Schreibförderung, die zur Ausbildung domänenspezifischer literaler Fähigkeiten besonders geeignet erscheinen. Besprochen werden hierbei ein textprozedurenorientierter und ein genredidaktischer Ansatz, die beide für das für das Geschichtslernen fruchtbar gemacht werden sollen.

Mathematik sprachbezogen und fachfokussiert unterrichten: Wozu, wie und mit welchem Ergebnis? – Esther Brunner (PH Thurgau)

Mathematik kommt zum einen nicht ohne Sprache aus und ist zum anderen eine eigenständige Sprache mit bestimmten Charakteristika. Diese doppelte Bedeutung von Sprache stellt beim Mathematiklernen erhebliche Anforderungen an die Lernenden. Die Schülerinnen und Schüler müssen nicht nur differenzierte sprachliche Mittel verfügbar erwerben, um eine Lösung kommunizieren oder begründen zu können, sondern brauchen darüber hinaus auch die Fähigkeit, die mathematische Sprache als solche zu verstehen und zu nutzen. Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang mathematischen Begriffe und der Begriffsbildung zu. Begriffe müssen zunächst als inhaltliche Konzepte verstanden sein, bevor sie unter einem Fachbegriff subsumiert werden. Sprache hat somit beim Mathematiklernen eine kommunikative und eine kognitive Funktion. Sie ist Medium des fachlichen Kommunizierens wie auch des fachlichen Denkens.
Dass die sprachlichen Voraussetzungen der Lernenden deshalb auch in der Mathematik eine bedeutsame Rolle spielen und die Mathematikleistungen der Schülerinnen und Schüler entscheidend beeinflussen, zeigen verschiedene Forschungsstudien eindrücklich. Dies gilt insbesondere für stark texthaltige Aufgabenformate wie die sogenannten «Textaufgaben», die im Zusammenhang mit der Förderung von Problemlöse- und Mathematisierungskompetenzen in der Schule eingesetzt werden. Aber auch andere, relativ spracharme Aufgabenformate benötigen sprachliches und begriffliches Verstehen, damit sie angemessen gelöst werden können. Gerade bei diesen Aufgabenformaten wird die begrifflich-sprachliche Komponente aber oft übersehen.
Im Vortrag wird zunächst ein kurzer Überblick über Forschungsbefunde zu Zusammenhängen zwischen der Mathematikleistung und der Sprachkompetenz gegeben. Anhand von spezifischen Merkmalen der mathematischen Sprache wird aufgezeigt, welche sprachlich-begrifflichen Besonderheiten für die Lernenden zu bewältigen sind. In einem zweiten Schritt werden zentrale Förderansätze und didaktische Konzepte für einen sprachbezogenen und fachlich fokussierten Mathematikunterricht vorgestellt.
Am Beispiel einer aktuellen Forschungsstudie wird im dritten Teil des Vortrags aufgezeigt, wie die sprachlichen Voraussetzungen von Lernenden des dritten Schuljahres (N = 220) mit Anforderungen in unterschiedlichen Inhaltsgebieten der Mathematik zusammenhängen und für wen sich ein sprachbezogener und fachlich fokussierter Mathematikunterricht besonders lohnt.

"Fachlernen als Sprachlernen" – Verbale Sprache als Gegenstand, Medium und Indikator naturwissenschaftlicher Lehr- und Lernprozesse – Christoph Gut-Glanzmann (PH Zürich)

Das Lernen der Naturwissenschaften wird gerne mit dem Erlernen der naturwissenschaftlichen Fachsprache verglichen. Das Bild überzeugt insofern, als man von kompetenten Naturwissenschaftler:innen erwartet, dass sie fachlich korrekt kommunizieren können. Umgekehrt würde man jemanden, der naturwissenschaftlich richtig kommuniziert, als kompetent im Fach bezeichnen. Das Bild ist aber aus unterschiedlichen Gründen zu einfach. Erstens zeichnen sich Naturwissenschaftler:innen auch durch fachspezifische Handlungskompetenzen aus, die keine verbalen Kommunikationskompetenzen bedingen. Zweitens kommunizieren und «denken» Naturwissenschaftler:innen auf unterschiedlichen Sprachebenen; die verbale Modalität stellt nur ein unter anderen dar. Letztlich ist naturwissenschaftliches Wissen häufig strukturell derart komplex, dass es rein verbalsprachlich kaum adäquat gefasst werden kann. Auch die Verwendung abstrakter Fachbegriffe als Label für die zu beschreibenden Wissensinhalte und Konzepte schafft keine Abhilfe, da die Bedeutungen der «Labels» wiederum rein verbalsprachlich kaum adäquat vermittelt werden können. Trotz dieser Einschränkungen des obigen Vergleichs spielt die verbale Sprache beim naturwissenschaftlichen Lehren und Lernen auf unterschiedliche Weise eine wesentliche Rolle: Erstens erfolgen die Vermittlung von Wissen und die Förderung von Kompetenzen immer auch über verbale Kommunikation, dies meist wie beispielsweise beim Mulitmedia learning im Zusammenspiel mit anderen Repräsentationsformen. Zweitens bedient man sich bei der Diagnose und Messung von Wissensstrukturen und Kompetenzen der verbalen Sprache. Zum Beispiel wird sie bei der Erforschung vor- und nachunterrichtlicher Schüler:innenvorstellungen als Indikator für Konzeptwechsel genutzt. Letztlich wird die verbale Sprache im Rahmen des Erwerbs fachlicher Kommunikationskompetenzen wie beispielsweise Erklär- oder Argumentationskompetenzen selbst zum Lerngegenstand. Ausgehend von dieser Differenzierung der Rollen verbaler Sprache als Gegenstand, Medium und Indikator naturwissenschaftlicher Lehr- und Lernprozesse wird im Beitrag ein Überblick über naturwissenschaftsdidaktische Theoriebildung und empirische Forschung zu diesen Rollen gegeben. Auf jede Rolle wird exemplarisch vertiefter eingegangen. Darüber hinaus wird ebenfalls exemplarisch aufgezeigt, dass sich diese Rollen vermischen und wo sie nicht differenziert werden.

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Abstracts Workshops

Vignettenbasiertes Lernen – Marita Friesen (PH Freiburg) & Afra Sturm (PH FHNW)
 „Vignetten für fachdidaktische Lern- und Testsituationen entwickeln“

Ausgewählte Unterrichtssequenzen oder -situationen, die bestimmte (Kern-)Praktiken oder besonders typische berufliche Anforderungen repräsentieren, werden als Vignetten bezeichnet. Eingesetzt werden sie zum einen in Testsituationen, um beispielsweise Facetten des Professionswissens von Lehrpersonen zu erfassen, zum anderen aber auch, um Lerngelegenheiten in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen zu schaffen.
Im Workshop wird zunächst in einem Überblick dargelegt, welche Potenziale Vignetten aufweisen, welche Formate unterschieden werden (Video-, Text-, Comic- und Animationsvignetten) und wie sie aufgebaut sind. Anhand von Beispielen aus zwei verschiedenen Domänen – Mathematik und Deutsch – werden die Designprinzipien verschiedener Vignetten gemeinsam analysiert. Dabei wird exemplarisch betrachtet, wie das Ziel des Einsatzes von Vignetten (z.B. Erfassung einer bestimmten Facette fachdidaktischen Wissens) mit Fragestellungen zu deren Design und Implementation zusammenhängen.
Falls Teilnehmende eigene Vignetten zur Diskussion stellen möchten, können sie dies den Workshopleiterinnen  (afra.sturm@fhnw.ch) bis zum 15. Mai 2022 melden.

Qualitative Zugänge der Bildungsforschung – Frank Oberzaucher (Universität Konstanz)
„Praxis qualitativen Forschens. Workshop zur Unterstützung empirischer Projekte“

Der Workshop beschäftigt sich mit den zentralen Fragen, Zugängen und Vorgehensweisen von qualitativen Forschungsprojekten. In der ersten Hälfte der Veranstaltung werden die erkenntnistheoretischen Grundlagen, die methodologischen Prinzipien sowie die Möglichkeiten des methodischen Zugriffs auf soziale Wirklichkeit schlaglichtartig vorgestellt. In der zweiten Hälfte werden wir uns auf der Grundlage von Daten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den für sie relevanten analytischen Ansätzen (z.B. Grounded Theory, Inhaltsanalyse, Sequenzanalyse usw.) beschäftigen und in der Gruppe anhand von Datenauszügen exemplarisch interpretieren.

Um eine adressatengerechte inhaltliche Ausrichtung zu erreichen, wäre es sehr hilfreich, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Veranstaltern bis zum 15. Mai 2022 einen „Sechszeiler“ zum geplanten bzw. schon laufenden empirischen Projekt per E-Mail an claudia.hefti@phtg.ch zuschicken könnten. Folgende Angaben sollten erwähnt werden: Titel/Thema, Forschungsfeld, Forschungsgegenstand, Forschungsfrage(n), analytischer Ansatz, methodisches Vorgehen, Problem, das beim Workshop diskutiert werden soll, Verfügbarkeit von Daten für das gemeinsame Analysieren.

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Abstracts Kurzvorträge

Textverstehensstrategien von SuS der Sekundarstufe I beim Lesen komplexer Biologietexte – Eliane Gilg (Universität Basel / PH FHNW)
Eine multimethodische Rekonstruktion von Textverstehensstrategien mittels Beobachtungsdaten, Selbstaussagen und Verstehensdaten

Lesekompetenz ist von hoher Relevanz für den schulischen Erfolg, denn schulisches Lernen ist eng mit der Kompetenz verschränkt, Informationen aus Texten erschliessen zu können (Baumert et al. 2001). Insbesondere auf Sekundarstufe I sind Schüler*innen (SuS) von den zunehmend fachlich und sprachlich komplexen Texten überfordert (Schneider et al. 2018). Bisher besteht noch wenig empirisch fundiertes Wissen darüber, welche Probleme die SuS beim Lesen komplexer Sachtexte haben, wie sie ihre Leseprozesse strukturieren und welche Strategien sie in welcher Qualität nutzen (Catrysse et al. 2016, Rogiers/Merchie/Van Keer 2020). Im qualitativen und explorativen Promotionsvorhaben wird an dieses Forschungsdesiderat angeknüpft. In einem multimethodischen Design wurden SuS der Sekundarstufe I (n=22) beim Lesen eines multimodalen Biologietextes mittels eye-tracking-gestützter Technologie beobachtet, zu ihrem Textverstehensprozess befragt und mittels mündlichem Verstehenstest geprüft. Die Triangulation dieser Beobachtungs-, Verbal- und Verstehensdaten ermöglicht es, Einblicke in Textverstehensprozesse zu erhalten und dahinterliegende kognitive und metakognitive Textverstehensstrategien rekonstruieren zu können. Damit soll ein Beitrag zu einem tieferen Verständnis der Textverstehensstrategien der SuS der Sekundarstufe I geleistet werden. Im Rahmen des Kurzvortrags werden die innovative Methode sowie Ergebnisse präsentiert.

Welche Sachsituationen zur Multiplikation und Division können Schülerinnen und Schüler erfolgreich «mathematisieren » (LP21) und lösen? – Dorothea Mayer (PH Zürich)

Textaufgaben stellen eine etablierte Aufgabenart im Mathematikunterricht dar. Für ihre Bearbeitung stellen Lernende wechselseitige Beziehungen zwischen einem als Text beschriebenen Sachkontext und der Mathematik her. Damit vertiefen sie in der Primarschule im Speziellen ihr Verständnis der vier Grundoperationen (Operationsverständnis) und entwickeln im Allgemeinen ihre Kompetenzen zum Mathematisieren (LP21). Lösungsprozesse zu Textaufgaben beinhalten (a) ein sprachliches Entschlüsseln des Aufgabentextes und ein Erstellen eines vereinfachten Situationsmodells, welches im besten Fall die wesentlichen dargestellten Komponenten und Zusammenhänge der Situation enthält. Im weiteren Verlauf wird das vereinfachte konstruierte Situationsmodell in (b) ein mathematisches Modell übersetzt (Gabler & Ufer, 2021; Verschaffel et al., 2000). Die vorgestellte Studie möchte bestehende Befunde zur Schwierigkeit von Textaufgaben in der Multiplikation und Division replizieren und erweitern. In die Aufgabenkonstruktion flossen u.a. Klassifikationen zu semantisch unterscheidbaren Typen von Textaufgaben (Greer, 1992) und ein empirisch bewährtes Stufenmodell zum Operationsverständnis (Schulz et al., 2020) ein.

Im Schwerpunkt der Präsentation steht die Zuordnung von codierten Lösungswegen und Fehlerarten beim Lösen von Textaufgaben zur Multiplikation und Division zu den spezifischen Herausforderungen, die im (a) Konstruieren eines Situationsmodells und im (b) Konstruieren eines mathematischen Modells liegen. Derart sollen diese beiden Lösungsschritte spezifisch für die Multiplikation und Division analysiert und spezifiziert, adäquate Lösungsstrategien (z.B. Verwendung von Skizzen, systematisches Probieren) erfasst und diese Befunde zur Diskussion möglicher Hilfestellungen beim Lösen von Textaufgaben (Lehrmittel Mathematik Primarstufe, Kanton Zürich; Schulz et al., 2019) verwendet werden.

Argumentation zu gesellschaftlichen Problemstellungen: Eine Mixed-Methods-Studie zum argumentativen Schreiben und Diskutieren bei Schüler:innen der Sekundarstufe 2 – Nicole Ackermann (PH Zürich)

Bürgerliches Argumentieren (civic argumentation) bezieht sich auf gesellschaftliche Problemstellungen (z.B. sichere Altersvorsorge, gerechter Agrarhandel, nachhaltige Energieversorgung) und ist mit mehreren Disziplinen verbunden (Ackermann & Kavadarli, 2022). Gesellschaftliche Problemstellungen sind komplex und ihre möglichen Lösungen kontrovers (z.B. Ackermann, 2021b; Sadler, 2004; Simonneaux, 2007). Für das Informieren und Argumentieren zu gesellschaftlichen Problemstellungen scheinen fachliche und sprachliche Kompetenzen gleichermassen bedeutsam. Das schriftliche und mündliche Argumentieren zu gesellschaftlichen Problemstellungen auf der Sekundarstufe 2 im deutschsprachigen Raum ist noch weitgehend unerforscht (Ackermann & Kavadarli, 2022; Ackermann & Siegfried, 2022, in preparation; Gronostay, 2019; Siegfried, 2021).
Es fehlen insbesondere umfassende empirische Studien zur systematischen Erfassung und gezielten Förderung argumentativer Kompetenzen in den gymnasialen und beruflichen Bildungsgängen.

In diesem Forschungsprojekt sollen zwei Ausdrucksformen des Argumentierens bei Schüler:innen der Sekundarstufe 2 in der Deutschschweiz untersucht werden: (1) das argumentative Schreiben und die Beziehung zum Fachwissen und (2) das argumentative Diskutieren und die Bedeutung der Gruppeninteraktion. Das analytische Rahmenmodell für das schriftliche Argumentieren umfasst Qualitätskriterien in zwei Dimensionen:
Argumentstruktur (domänenallgemeine Aspekte, z. B. Position, Komplexität der Begründung, Funktion der Begründung für Position) und Argumentinhalt (domänenspezifische Aspekte, z. B. thematische Angemessenheit und fachliche Korrektheit der Begründungen; Referenz, Perspektivität und Werthaltung in Begründungen).

An der nets21 Sommertagung 2022 sollen folgende interdisziplinäre Fragen zum Forschungsprojekt diskutiert werden: a) Mit welchen sprachdidaktischen Kriterien könnte das Rahmenmodell für schriftliche Argumentqualität ergänzt werden, um argumentative Texte (z.B. Erörterung) zu analysieren? b) Mit welchen sprachwissenschaftlichen Analyseverfahren könnten die argumentativen Texte ergänzend zu den sozialwissenschaftlichen Analyseverfahren ausgewertet werden?

Assistive Technology – Eine aussichtsreiche Möglichkeit für Schüler:innen mit Lese-Rechtschreib-Störung? – Silvana Flütsch (PH Zürich / Université de Fribourg)
Interventionsstudie zur Spracherkennungstechnologie im Schreibunterricht

Die kompetente Nutzung der Schriftsprache ist zentral für die Teilhabe am schulischen Lernen, für die schulische und berufliche Laufbahn. Eine Lese-Rechtschreib-Störung stellt häufig eine Barriere dafür dar. Im Forschungsprojekt ‘Assistive Technology – Eine aussichtsreiche Möglichkeit für Schüler:innen mit Lese-Rechtschreib-Störung’ wird untersucht, ob der Einsatz der Spracherkennungstechnologie für die besagte Schüler:innengruppe eine positive Wirkung auf die Schriftsprachentwicklung und die Schreibmotivation hat.

Die Spracherkennungstechnologie – anders gesagt eine Diktiersoftware – wird zu den Alltagstools gezählt. Der Gebrauch eines Tools muss aber gelernt werden, was insbesondere für Schüler:innen mit Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb zutrifft. Während die Spracherkennungstechnologie in dieser Studie im Schreibunterricht innerhalb der Regelklasse eingesetzt wird, wird die Einführung der Software und die Begleitung zu Beginn der Intervention im Rahmen der logopädischen oder heilpädagogischen Betreuung gemacht.
Die Teilnahme an der Studie erfordert also interdisziplinäre Zusammenarbeit, da dies den realen Bedingungen vom Einsatz einer assistierenden Technologie im Unterricht entspricht.

Die Studie ist als Interventionsstudie mit Mixed Methods Design innerhalb des Schreibunterrichts geplant. Damit dieser Unterricht vergleichbar ist, arbeiten zwei Gruppen im Schreibunterricht anhand von Instruktionsvideos. Eine der beiden Gruppen verfasst Texte mit einer Diktiersoftware. Eine dritte Gruppe dient als Kontrollgruppe.
Um allfällige Schwierigkeiten des Einsatzes der Diktiersoftware zu verstehen, werden am Ende der Intervention Interviews mit den Lehr- und Fachpersonen durchgeführt.

Im Kurzvortrag wird das Forschungsprojekt vorgestellt. Im Fokus der Präsentation steht die Frage, wie der Einsatz eines digitalen Tools zur besseren Teilhabe aller Schüler:innen am schulischen Lernen von verschiedenen Disziplinen unterstützt werden kann.

 

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