nets21 – Kolloquium

Kolloquium 06: Schwerpunkt Zyklus 1

12.06.2024, PHZH, LAB-F080

Informationen

Anmeldung bis 10. Juni an: judith.kreuz@phzg.ch

Inhalte

Das sechste Kolloquium widmet sich zwei Forschungsprojekten mit Schwerpunkt auf Zyklus 1:

Evamaria Zettl (PH Thurgau) thematisiert in ihrer Datensitzung Praktiken der Differenzierung im Deutschunterricht in einer von Mehrsprachigkeit geprägten 1. Klasse. Im Fachvortrag von Nadine Nell-Tuor (PH Zug) wird das personenvermittelte Zuhören im Unterricht fokussiert. Ziel des Projekts ist es, Hilfsmittel für den Unterricht gemeinsame mit Lehrpersonen zu entwickeln, wobei ein Schwerpunkt auf Zuhörstrategien liegt.

Bei diesen Datensitzungen bzw. Präsentationen sollen weitere Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte auf Post-Doc-Stufe gewonnen werden.

Zum Abschluss des Kolloquiums folgt eine kurzer Ausblick auf weitere Aktivitäten des nets21 sowie ein informeller Ausklang beim gemeinsamen Mittagessen.

Organisation

Rebekka Studler, Judith Kreuz, Claudia Hefti,
Afra Sturm, Stefan Hauser, Dieter Isler, Britta Juska-Bacher, Hansjakob Schneider

Programm

Mittwoch, 12.06.2024

08:45

Begrüssung durch die Geschäftsstelle und die Kerngruppe

08:45 – 10:15

Datensitzung

Praktiken der Differenzierung im Deutschunterricht in einer von Mehrsprachigkeit geprägten Unterstufenklasse

Dr. Evamaria Zettl (PH Thurgau)
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10:15 – 10:45

Kaffeepause

10:45 – 12:15

Projektpräsentation

Einander zuhören – personenvermitteltes Zuhören im Unterricht

Dr. Nadine Nell-Tuor (PH Zug)
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ab 12:15

Ausblick & Ausklang

Ausklang mit informellem Austausch bei einem anschliessenden gemeinsamen Mittagessen

Abstracts Fachvorträge

Dr. Evamaria Zettl, PH Thurgau: Differenzierungspraktiken im Deutschunterricht einer von Mehrsprachigkeit geprägten Unterstufenklasse

Der Bildungsbericht Schweiz 2023 thematisiert, dass «fremdsprachige» Schülerinnen und Schüler ein höheres Risiko haben, schlechte Schulleistungen zu erbringen (Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung 2023, S. 59). Verschiedene sprachliche Voraussetzungen können in einem Bildungssystem, das bildungssprachliche Kompetenzen im Standarddeutschen verlangt, Ungleichheiten reproduzieren (zur Bedeutung von Bildungssprache bereits am Schulanfang vgl. Juska-Bacher/Beckert 2015).

Angesichts dieser Befunde sind Forderungen nach einer Berücksichtigung von Heterogenität im Unterricht seit Längerem weit verbreitet (z.B. Wildemann 2018). Eine häufige Strategie ihrer Bearbeitung ist Differenzierung (vgl. Budde 2018). Wie jedoch Differenzierung im Schulalltag einer als sprachlich heterogen wahrgenommenen Klasse im Deutschunterricht geschieht, darüber gibt es kaum Forschung.

Das vorliegende Projekt, gefördert vom Projektfonds FEL der PH Thurgau, möchte dazu beitragen, diese Forschungslücke zu schliessen. Es werden Daten mit Hilfe der Forschungsstrategie Ethnographie/Teilnehmende Beobachtung erhoben und unter einer praxistheoretischen Perspektive analysiert (vgl. Budde et al. (Hrsg.) 2018). Die Datenerhebung läuft seit Oktober 2023 und ist als Längsschnitt über ein Schuljahr (beantragt: zwei Schuljahre) geplant, um Entwicklungen und Aufschichtungen ungleichheitsrelevanter Differenzherstellungen (vgl. Idel/Rabenstein/Ricken 2017) beobachten zu können.

Die Fragestellung des Projekts lautet: Welche Praktiken innerer Differenzierung finden sich im Deutschunterricht einer als sprachlich heterogen wahrgenommenen Unterstufenklasse? Eine Unterfrage lautet: Wie werden dort differenzierend Standarddeutsch, Mundart und nicht deutsche Familiensprachen verwendet? Erste Befunde lauten: Standarddeutsch ist die vorwiegend gebrauchte Unterrichtssprache, nicht deutsche Familiensprachen sind im Sinn einer Sprachentrennung (vgl. Krompák/Preite 2018) in der Schule verboten, die differenzierende Verwendung von Mundart erfolgt nach komplexen, z.T. situations- und kindbezogenen Mustern, die in der vorliegenden Datensitzung analysiert werden sollen (zu Mundart/Standardsprache in sprachlich heterogenen schulischen Kontexten vgl. auch Luginbühl/Schmidlin 2023).

Literatur:

Budde, J. (2018). Differenzierungspraktiken im Unterricht. In M. Proske & K. Rabenstein (Hrsg.), Kompendium Qualitative Unterrichtsforschung. Unterricht beobachten-Beschreiben-Rekonstruieren (S. 137–152). Klinkhardt.

Budde, J., Bittner, M., Bossen, A., & Rißler, G. (Hrsg.). (2018). Konturen praxistheoretischer Erziehungswissenschaft. Beltz Juventa.

Dirim, I., & Mecheril, P. (2018). Heterogenitätsdiskurse—Einführung in eine machtkritische und kulturwissenschaftliche Perspektive. In I. Dirim & P. Mecheril (Hrsg.), Heterogenität, Sprache(n), Bildung. Eine differenz- und diskriminierungstheoretische Einführung (S. 19–62). Julius Klinkhardt.

Idel, T.-S., Rabenstein, K., & Ricken, N. (2017). Zur Heterogenität als Konstruktion. Empirische und theoretische Befunde einer ethnographischen Beobachtung von Ungleichheitsordnungen im Unterricht. In I. Diehm, M. Kuhn, & C. Machold (Hrsg.), Differenz—Ungleichheit—Erziehungswissenschaft (S. 139–156). Springer Fachmedien.

Juska-Bacher, B., & Beckert, C. (2015). Bildungssprache am Schulanfang. Theoretische Herausforderungen—Empirische Erkenntnisse—Förderperspektiven. Schneider Verlag Hohengehren.

Krompák, E., & Preite, L. (2018). Legitime und illegitime Sprachen in der Migrationsgesellschaft. In A. Ballis & N. Hodaie (Hrsg.), Perspektiven auf Mehrsprachigkeit: Individuum, Bildung, Gesellschaft (S. 279–295). De Gruyter Mouton.

Luginbühl, M. & Schmidlin, R. (2023) «Müemer jetz würklich Hochdütsch rede?» Sprachwahl und Sprachwechsel in schulischen Gruppengesprächen. In S. Hauser & A. Schiesser (Hrsg.), Standarddeutsch und Dialekt in der Schule (S. 106-134). Bern: hep.

Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung. (2023). Bildungsbericht Schweiz 2023. https://www.skbf-csre.ch/fileadmin/files/pdf/bildungsberichte/2023/BiBer_2023_D.pdf (Abfrage 26.3. 2024)

Wildemann, A. (2018). Heterogenität im Sprachlichen Anfangsunterricht. Von der Diagnose bis zur Unterrichtsgestaltung. (2. Aufl.). Seelze: Klett Kallmeyer.

Dr. Nadine Nell-Tuor, PH Zug: Einander zuhören – personenvermitteltes Zuhören im Unterricht

In schulischen Interaktionen sind die Schüler:innen laufend gefordert, einander bzw. der Lehrperson zuzuhören. Das personenvermittelte Zuhören, also einer anwesenden Person zuzuhören, ist im Unterricht über alle Fächer hinweg eine zentrale Kompetenz. Auch Ansätze wie Accountable Talk (Michaels et al. 2010) betonen, dass das Zuhören wesentlich zum Gelingen einer Interaktion beiträgt.

In der Hördidaktik dominiert demgegenüber das medienvermittelte Zuhören: Vorhandenes Material bezieht sich mehrheitlich auf monologische Zuhörsituationen, bei welchen ein Hörtext von einem digitalen Gerät abgespielt wird. In neueren Deutschlehrmitteln gibt es zwar zunehmend Aufgaben zum Zuhören im Gespräch, dieses ist aber immer noch untervertreten.

In dem am Zentrum Mündlichkeit durchgeführten Projekt soll die Praxis des personenvermittelten Zuhörens beleuchtet und empirisch fundierte Erkenntnisse dazu gewonnen werden. Fokussiert wird das Zuhörverhalten der Schüler:innen in frequenten Unterrichtssituationen wie mündlicher Auftragserteilung oder fachlichem Input durch die Lehrperson.

Hierzu dienen Videoaufnahmen aus Deutschschweizer Primarschulklassen, die gesprächsanalytisch ausgewertet werden. Basierend auf den Befunden werden in Kooperation mit Lehrpersonen Hilfsmittel für den Unterricht entwickelt (vgl. Behrens 2019; Honnef-Becker & Kühn 2019). Ein Fokus liegt dabei auf der Vermittlung von Zuhörstrategien. Diese sind als effektive Werkzeuge zu betrachten, wenn es um die Entwicklung von Zuhörkompetenzen geht (vgl. Krelle 2016; ferner Philipp 2016).

Die Präsentation gibt Einblick in die Daten und erste Ergebnisse.

Literatur

Behrens, U. (2019): Modelle, Methoden und Forschungsfragen im Bereich Zuhören. In: Dannecker, W. & Schmitz, A. (Hrsg.): Deutschunterricht auf dem Prüfstand. Wiesbaden: Springer, S. 283-288.

Honnef-Becker, I. & Kühn, P. (2019): Sprechen und Zuhören im Deutschunterricht. Bildungsstandards – Didaktik – Unterrichtsbeispiele. Tübingen: narr.

Krelle, M. (2016): Dem Fahrraddieb auf der Spur. Mit Ratekrimis Zuhörkompetenzen erwerben. In: Grundschule Deutsch 52, S. 38-40.

Michaels, Sarah / O’Connor, Mary Catherine / Williams Hall, Megan / Resnick, Lauren B. (2010): Accountable Talk® Sourcebook: For Classroom Conversation that Works. Institute for learning: University of Pittsburgh.

Philipp, M. (2016): Lese- und Schreibstrategien. Zur Wichtigkeit und Wirksamkeit kognitiver Werkzeuge im Umgang mit schriftlichen Texten. SAL-Bulletin, 160, S. 5-16

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