nets21 – Kolloquium

Kolloquium 07: Sprache in Mündlichkeit und Schriftlichkeit

23.10.2024, PHZH, LAD-003

Informationen

Inhalte

Das siebte Kolloquium widmet sich zwei Forschungsprojekten, die Sprachlichkeit sowohl aus der Perspektive der mündlichen Interaktion (im Deutschunterricht) als auch in Bezug auf das Leseverstehen (im Geschichtsunterricht) beleuchten.

Claudine Giroud (PH Zug) zeigt in ihrer Datensitzung aus dem Projekt „Lernen im Gespräch“ Videosequenzen aus dem peerinteraktiven Deutschunterricht. Im Fokus stehen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf der Primarstufe. Es soll gemeinsam diskutiert werden, wie diese Kinder ihrem Lernstand entsprechend gefördert werden können. Im Fachvortrag von Sandro Brändli (PH FHNW) wird das Leseverstehen im Geschichtsunterricht fokussiert. Dazu werden die Möglichkeiten von Textanpassungen thematisiert. An Videodaten wird gezeigt, wie 8.-Klässler:innen solche Anpassungen in ihrem Leseprozess und für das eigene Verstehen nutzen.

Bei diesen Datensitzungen bzw. Präsentationen sollen weitere Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte auf Doktoratsstufe gewonnen werden.

Zum Abschluss des Kolloquiums folgt eine kurzer Ausblick auf weitere Aktivitäten des nets21 sowie ein informeller Ausklang beim gemeinsamen Apéro.

Organisation

Rebekka Studler, Judith Kreuz, Claudia Hefti,
Afra Sturm, Stefan Hauser, Dieter Isler, Britta Juska-Bacher, Hansjakob Schneider

Programm

Mittwoch, 23.10.2024

13:45

Begrüssung durch die Geschäftsstelle und die Kerngruppe

13:45 – 15:15

Datensitzung

Lernen im Gespräch – Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im peerinteraktiven Deutschunterricht

Claudine Giroud (PH Zug)
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15:15 – 15:45

Kaffeepause

15:45 – 17:15

Projektpräsentation

Geschichtstexte verstehen lernen auf der Sekundarstufe I: Warum es Texte, «diese Historiker*innen» und Lehrpersonen dazu braucht

Sandro Brändli (PH FHNW)
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ab 12:15

Ausblick & Ausklang

Ausklang mit informellem Austausch bei einem anschliessenden gemeinsamen Apéro

Abstracts Fachvorträge

Claudine Giroud, PH Zug: Lernen im Gespräch – Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im peerinteraktiven Deutschunterricht

Positive Effekte von kooperativen bzw. peerinteraktiven Lernsettings auf das Lernverhalten und Leistungsvermögen werden in der erziehungswissenschaftlichen Literatur umfangreich belegt (Bleck & Lipowsky, 2021; de Boer, 2015; Borsch, 2015; Slavin, 1995). In der gemeinsamen Auseinandersetzung mit einem Lerngegenstand werden z.B. neue Informationen mit bereits bestehenden kognitiven Strukturen verknüpft und neue Wissensstrukturen aufgebaut (Reusser, et al., 2013). Die Bedeutung dieser Lernanlässe spiegelt sich daher auch im Lehrplan und in Lehrmitteln wider und zeigt sich in deren festen Verankerung im Unterrichtsalltag (Brinkmann et al., 2021; D-EDK, 2016; Dütsch et al., 2022).

Kooperative Lehr- und Lernformen nehmen auch einen zentralen Stellenwert in der Gestaltung von inklusivem Unterricht ein (Boban & Hinz, 2008), denn sie besitzen das Potential, alle Schüler:innen ihrem Lernstand entsprechend fördern zu können (Lienhard-Tuggener et al., 2011). Zudem lassen erste Hinweise einen positiven Effekt peerinteraktiver Lernsettings auf die soziale Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf vermuten (Garrote et al., 2017; Hank et al., 2021; Weber & Huber, 2021). Ob diese Erkenntnisse eine fächerübergreifende Gültigkeit aufweisen, wird auf fachdidaktischer Ebene kontrovers diskutiert und wirft Fragen nach lerngegenstands- und inhaltsbezogenen Unterschieden sowie  nach fachlicher Teilhabe auf (Hackbarth & Müller, 2021; Sauerborn, 2019). Hier setzt das Forschungsvorhaben an, denn es fokussiert, wie peerinteraktive Lernanlässe im Deutschunterricht konkret umgesetzt werden können. Dabei wird die Beteiligung von Schüler:innen mit besonderen Bildungsbedürfnissen an der gemeinsamen Interaktion ins Zentrum des Erkenntnisinteresses gerückt.

Im Rahmen einer Datensitzung wird zunächst der aktuelle Stand des Dissertationsvorhabens aufgezeigt und anschliessend werden Ausschnitte aus dem erhobenen Videodatenmaterial gemeinsam betrachtet und diskutiert.

Literatur:

Bleck, V. & Lipowsky, F. (2021). Kooperatives Lernen – Theoretische Perspektiven, empirische Befunde und Konsequenzen für die Implementierung. In T. Hascher, T.-S. Idel & W. Helsper (Hrsg.), Handbuch Schulforschung (S. 1–19). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-24734-8_44-1

Boban, I. & Hinz, A. (2008). „The inclusive classroom“ – Didaktik im Spannungsfeld von Lernprozesssteuerung und Freiheitsberaubung (Lehren und Lernen mit behinderten Menschen). In K. Ziemen (Hrsg.), Reflexive Didaktik: Annäherungen an eine Schule für alle (1. Aufl., S. 71–98). Oberhausen: Athena-Verlag.

de Boer, H. (2015). Lernprozesse in Unterrichtsgesprächen. In H. de Boer & M. Bonanati (Hrsg.), Gespräche über Lernen – Lernen im Gespräch (S. 17–36). Wiesbaden: Springer VS.

Borsch, F. (2015). Kooperatives Lernen: Theorie – Anwendung – Wirksamkeit (Lehren und Lernen) (2., überarb. und erw. Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer.

Brinkmann, E., Brügelmann, H., Biasio, E., Hurschler Lichtsteiner, S., Jurt Betschart, J. & Schär, R. (2021). Die Sprachstarken 1 Deutsch für die Primarschule. (T. Lindauer & W. Senn, Hrsg.) (1. Auflage.). Baar: Klett und Balmer Verlag.

Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz (D-EDK) (Hrsg.). (2016). Lehrplan 21. Zugriff am 17.11.2017. Verfügbar unter: http://v-ef.lehrplan.ch/index.php, http://www.lehrplan21.ch/

Dütsch, T., Ballmer, S., Studer Kilchenmann, E. & Zbinden, K. (2022). Deutsch Kindergarten. Zürich: LMVZ.

Garrote, A., Sermier Dessemontet, R. & Moser Opitz, E. (2017). Facilitating the social participation of pupils with special educational needs in mainstream schools: A review of school-based interventions. Educational Research Review, 20, 12–23. https://doi.org/10.1016/j.edurev.2016.11.001

Hackbarth, A. & Müller, A. (2021). Fachdidaktik des inklusiven Deutschunterrichts: Eine praxeologische und fachwissenschaftliche Perspektivierung von Vermittlungs- und Aneignungsprozessen. Zeitschrift für Inklusion, 2, online.

Hank, C., Weber, S. & Huber, C. (2021). Fachbeitrag: Potenziale des Kooperativen Lernens. Die Unterrichtsmethode des Integrationsförderlichen. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, (0), 1–17. https://doi.org/10.2378/vhn2022.art05d

Lienhard-Tuggener, P., Joller-Graf, K. & Mettauer Szaday, B. (2011). Rezeptbuch schulische Integration: auf dem Weg zu einer inklusiven Schule (1. Auflage.). Bern: Haupt Verlag.

Reusser, K., Stebler, R., Mandel, D. & Eckstein, B. (2013). Erfolgreicher Unterricht in heterogenen Lerngruppen auf der Volksschulstufe des Kantons Zürich. Wissenschaftlicher Bericht. Wissenschaftlicher Bericht. Zürich: Institut für Erziehungswissenschaft.

Sauerborn, H. (2019). Zum Umgang mit Heterogenität: Merkmale und Besonderheiten einer inklusiven Fachdidaktik Deutsch (DGLS-Band). In H. Sauerborn (Hrsg.), Inklusion im Deutschunterricht. Im Spannungsfeld von gemeinsamem Lernen und individueller Förderung. (Band 19).

Slavin, R. E. (1995). Cooperative learning: theory, research, and practice (2nd ed.). Boston: Allyn and Bacon.
Weber, Simone & Huber, Christian. (2021). Förderung sozialer Integration durch Kooperatives Lernen. Ein systematisches Review. Pabst Science Publishers. https://doi.org/10.25656/01:21611

Weber, Simone & Huber, Christian. (2021). Förderung sozialer Integration durch Kooperatives Lernen. Ein systematisches Review. Pabst Science Publishers. https://doi.org/10.25656/01:21611

Sandro Brändli, PH FHNW: Geschichtstexte verstehen lernen auf der Sekundarstufe I: Warum es Texte, «diese Historiker*innen» und Lehrpersonen dazu braucht

Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I sind mit vielfältigen sprachlichen wie fachlichen Anforderungen konfrontiert, wenn sie aus und mit Geschichtslehrmitteltexten lernen wollen bzw. sollen: Das (oft verkürzt) Erzählte gilt es, sowohl verstehend als auch kritisch zu lesen. Besonders herausfordernd ist dabei, dass diese Texte vorwiegend implizit zwischen vergangenheitsgebundener Ereignisebene und gegenwartsgebundener Deutungsebene oszillieren.

Aber was machen Schülerinnen und Schüler eigentlich genau, wenn sie solche Texte lesen, und wie verstehen sie sie? Diesen bis anhin empirisch unterbelichteten Fragen geht das aktuelle Promotionsprojekt «Historisches Erzählen verstehen (lernen)» nach und untersucht explorativ, wie hierarchiehohe Leseverstehensprozesse im Fach Geschichte ablaufen und wie diese textseitig unterstützt werden können.

Im ersten Teil des Referats werden die Möglichkeiten von Textanpassungen diskutiert, die das Potenzial haben, das globale Verstehen innerhalb fachspezifischer Grenzen zu unterstützen. Auf der Grundlage von im Frühling 2024 erhobener Daten wird holzschnittartig gezeigt, wie 8.-Klässler*innen solche Anpassungen in ihrem Leseprozess und für das eigene Verstehen nutzen. An diese ersten Erkenntnisse anschliessend wird im zweiten Teil skizziert, warum Sprach- und Geschichtsdidaktiker*innen nichts anderes übrigbleibt, als zukünftig (noch mehr) zusammenzuspannen – einerseits in der Konzeption von Lernmaterialien für Schüler*innen, andererseits in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen, damit diese lesebedingte Lernprozesse im Fach Geschichte gezielt anleiten und unterstützen können.

Literatur

Schmellentin, Claudia und Lindauer, Thomas (2020): Sprachbewusster Fachunterricht – Entwicklungsperspektiven für eine interdisziplinäre Fachdidaktik. In: Swiss Journal of Educational Research 42/3 (Dezember). S. 669–677. doi:10.24452/sjer.42.3.11.

Schnotz, Wolfgang (1994): Aufbau von Wissensstrukturen. Untersuchungen zur Kohärenzbildung beim Wissenserwerb mit Texten. Weinheim: Beltz. (= Fortschritte der psychologischen Forschung 20).

Schrader, Viola (2020): Historisches Denken durch Verfassertexte fördern? Das Potenzial der Sprache(n) in Geschichtslehrwerken aus geschichtsdidaktischer Perspektive. In: Sandkühler, Thomas und Bernhardt, Markus (Hrsg.): Sprache(n) des Geschichtsunterrichts. Sprachliche Vielfalt und Historisches Lernen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. (= Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 21). S. 335–347.

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