nets21 – Kolloquium

Kolloquium 03: Projektpräsentationen „Leseverstehen“

12.04.2023, PHZH, LAD-009

Informationen

Anmeldung bis 31. März an: judith.kreuz@phzg.ch

Inhalte

Das dritte Kolloquium widmet sich der Vertiefung in die Forschungsprojekte mit dem Schwerpunkt auf das Leseverstehen.

Bei zwei Projektpräsentationen mit anschliessender Diskussion zu den Themenbereichen „Online-gestützte Förderung leseschwacher Schüler:innen infolge der Covid 19-Pandemie“ (Valentin Unger, PH St. Gallen & Cornelia Glaser, PH Heidelberg) sowie „Historisches Erzählen verstehen (lernen). Unterstützung des globalen Leseverstehens von Lehrmitteltexten im Fach Geschichte auf der Sekundarstufe I“ (Sandro Brändli, PH FHNW) sollen weitere Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte des forschenden Nachwuchses zur Schulsprache gewonnen werden.

Zum Abschluss des Kolloquiums folgt eine kurzer Ausblick auf weitere Aktivitäten des nets21 sowie ein informeller Ausklang beim gemeinsamen Mittagessen.

Organisation

Rebekka Studler, Judith Kreuz, Claudia Hefti,
Afra Sturm, Stefan Hauser, Dieter Isler, Britta Juska-Bacher, Hansjakob Schneider

Programm

Mittwoch, 12. April 2023

08:30 – 08:40

Begrüssung durch die Geschäftsstelle und die Kerngruppe

08:40 – 10:10

Projektpräsentation I

Online-gestützte Förderung leseschwacher Schüler:innen infolge der Covid 19-Pandemie

Dr. Valentin Unger (PH St. Gallen) &  Cornelia Glaser (PH Heidelberg)
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10:10 – 10:30

Kaffeepause

10:30 – 12:00

Projektpräsentation II

Historisches Erzählen verstehen (lernen).
Unterstützung des globalen Leseverstehens von Lehrmitteltexten im Fach Geschichte auf der Sekundarstufe I

Sandro Brändli (PH FHNW)
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ab 12:00

Ausblick & Ausklang

Ausklang mit informellem Austausch bei einem anschliessenden gemeinsamen Mittagessen

Abstracts Fachvorträge

Dr. Valentin Unger, PH Bern & Cornelia Glaser, PH Heidelberg: „Online-gestützte Förderung leseschwacher Schüler:innen infolge der Covid 19-Pandemie“

Zahlreiche Schüler:innen können nur unzureichend flüssig, fehlerfrei und sinnentnehmend lesen (vgl. IQB-Bildungstrend 2021: 18,8 Prozent aller Viertklässler, Stanat et al., 2022, s. auch Hohn et al., 2013). Um die schulische Förderung gezielt zu unterstützen, existieren Programme, die sich zur Förderung von Lesefertigkeiten als effektiv erwiesen haben (vgl. Lenhard, 2019). Die Forschung im deutschsprachigen Raum fokussiert dabei auf Ansätze zur „Präsenz-Förderung“ im Unterrichts- und/ oder individuellen Setting. Die Covid-19-Pandemie mit den damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen stellte das Bildungssystem vor bis dahin ungekannte Herausforderungen und macht(e) u.a. diese tutorielle Anleitung und Unterstützung in Präsenz teils unmöglich (vgl. Unger et al., 2022). Zur Wirksamkeit von online-gestützten Leseförderprogrammen, d.h. sowohl die Arbeitsmaterialien als auch die tutorielle Begleitung werden am PC online dargeboten, liegen derzeit allerdings erst wenig verlässliche Befunde vor – insbesondere im deutschsprachigen Raum (vgl. Görgen et al., 2020). Ein Desiderat sind daher Interventionsstudien zur Wirksamkeit von Leseförderung mittels synchroner digitaler Lernmedien (vgl. Görgen, Huemer, Schulte-Körne & Moll, 2020).
Die Studie, die im Vortrag vorgestellt wird, ging der Frage nach, ob ein evidenz-basiertes und für den manuellen Einsatz konzipiertes Programm zum Aufbau von Lesefertigkeiten in Kleingruppen bzw. im Einzelsetting auch im Online-Format angewendet werden kann.
Es wurde ein Multiple Baseline Design genutzt mit dem sechs leseschwache Schüler:innen aus zwei fünften Klassen in Baden-Württemberg (D) online-gestützt gefördert wurden. Die Leseleistung wurde im Verlauf sowie Prä und Post geprüft. Die Auswertung der Leistungsdaten (LDL) erfolgt dem Design konform mittels entsprechender Einzelfallstatistik (Tau-U).
Ziel des Beitrags ist es, die disruptiven Veränderungen der schulischen Leseförderung durch die Covid-Pandemie darzustellen, die Studie vorzustellen und auf Grundlage der Studie weitere Forschungsvorhaben in diesem Kontext zu diskutieren. Zudem werden praktische Implikationen für den Einsatz digitaler Lernspiele zur Verbesserung von Lesefertigkeiten im schulischen Setting erläutert.

Literatur

Görgen, R., Huemer, S., Schulte-Körne, G., Moll, K. (2020). Evaluation of a digital game-based rea
ding training for German children with reading disorder. Computer & Education, 150(103834), 1–14. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2020.103834
Hohn, K., Schiepe-Tiska, A., Sälzer, C. & Artelt, C. (2013). Lesekompetenz in PISA 2012: Veränderungen und Perspektiven. In M. Prenzel, C. Sälzer, E. Klieme & O. Köller (Hrsg.), Pisa 2012: Fortschritte und Herausforderungen in Deutschland (Fortschritte und Herausforderungen in Deutschland). Münster: Waxmann.
Lenhard, W. (2019). Leseverständnis und Lesekompetenz. Stuttgart: Kohlhammer.
Stanat, P., Schipolowski, S., Schneider, R., Sachse, K. A., Weirich, S. & Henschel, S. (Hrsg.). (2022). IQB-Bildungstrend 2021. Kompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik am Ende der 4. Jahrgangsstufe im dritten Ländervergleich. Münster: Waxmann.
Unger, V., Schmidberger, L., & Wacker, A. (2022). „Ja, der Fernunterricht hat sich deutlich verbessert…!“ Befunde einer Schüler*innenbefragung zum schulisch angeleiteten Lernen zu Hause während der zweiten Schulschliessungen in Deutschland. In: J. Budde, D. Lengyel, C. Böning, C. Claus, N. Weuster, K. Doden & T. Schroedler (Hrsg.), Schule in Distanz – Kindheit in Krise. Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf Wohlbefinden und Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen. Erziehungswissenschaftliche Edition: Persönlichkeitsbildung in Schule (S. 173–196). Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36942-2_8

Sandro Brändli, PH FHNW: "Historisches Erzählen verstehen (lernen). Unterstützung des globalen Leseverstehens von Lehrmitteltexten im Fach Geschichte auf der Sekundarstufe I"

Literale Kompetenzen sind im «Lesefach» Geschichte besonders entscheidend für den Lernerfolg (Handro 2018). Die wenigen bisherigen Studien aus der Geschichtsdidaktik (von Borries et al. 2005) weisen jedoch – ähnlich wie die PISA-Studie und Studien zu anderen Fächern (u.a. Reiss et al. 2019, Schmellentin et al. 2017) – darauf hin, dass Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 1 Lehrmitteltexte des Faches nur unzureichend verstehen und dass sie die Texte nicht für einen effektiven Kompetenzaufbau nutzen können.
Empirische Forschung zu Leseverstehensprozessen von Schüler*innen der Sekundarstufe 1 im Fach Geschichte stellt bis anhin ein Desiderat dar. Diesem nimmt sich das Promotionsprojekt «Historisches Erzählen verstehen (lernen)» an:
Es untersucht, wie solche Prozesse von Schüler*innen als Fach-Noviz*innen ablaufen und wie das globale Leseverstehen mit lesedidaktisch orientierten Textanpassungen, sogenannten Kohärenzbildungshilfen, unterstützt werden kann. Berücksichtigt werden müssen hierbei stets die Anforderungen an historisches Lernen seitens der Geschichtsdidaktik.
Die Erkenntnisse der Studie dienen als Grundlage für eine wissenschaftsbasierte Weiterentwicklung didaktischer Modelle und Konzeptionen für den Unterricht, die den Aufbau historischer Lesekompetenzen fördern und mit denen lesebedingte Lernprozesse im Fach Geschichte gezielt angeleitet und unterstützt werden können.
Die explorative Studie wählt einen multimethodischen Zugang mit Leseprozessbeobachtung, Verstehenstest und fokussiertem Interview. Ausgangspunkt bilden dabei zwei Lehrmitteltexte aus offiziellen Schweizer Geschichtslehrmitteln zur Schweizer Flüchtlingspolitik während des 2. Weltkriegs sowie zur Arbeitsmigration in die Schweiz nach dem 2. Weltkrieg. Die Stichprobengrösse beläuft sich auf rund 26 Proband*innen der 2. Sekundarstufe. Die Auswertung und Interpretation erfolgen im Rahmen einer inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse.
In der aktuellen Projektphase werden die verschiedenen Erhebungsinstrumente (Textanpassungen, Items für den Verstehenstest) entwickelt, die im Frühsommer pilotiert werden. Der Diskussionsschwerpunkt des Kolloquiums soll auf diesen Erhebungsinstrumenten und den Herausforderungen des Erhebungsdesigns liegen.

Literatur:

von Borries, Bodo; Fischer, Claudia; Leutner-Ramme, Sibylla und Meyer-Hamme, Johannes (2005): Schulbuchverständnis, Richtlinienbenutzung und Reflexionsprozesse im Geschichtsunterricht. Eine qualitativ-quantitative Schüler- und Lehrerbefragung im Deutschsprachigen Bildungswesen 2002. Bd. 9. Neuried: Ars una. (= Bayerische Studien zur Geschichtsdidaktik).
Handro, Saskia (2018): Geschichte lesen, aber wie? Plädoyer für eine geschichtsdidaktische Profilierung von Lesestrategien. In: Sandkühler, Thomas; Bühl-Gramer, Charlotte; John, Anke; Schwabe, Astrid und Bernhardt, Markus. (Hrsg.): Geschichtsunterricht im 21. Jahrhundert. Eine geschichtsdidaktische Standortbestimmung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. (= Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 17).
Reiss, Kristina; Weis, Mirjam; Klieme, Eckhard und Köller, Olaf (Hrsg.) (2019): PISA 2018: Grundbildung im internationalen Vergleich. Münster/New York: Waxmann.
Schmellentin, Claudia; Dittmar, Miriam; Gilg, Eliane und Schneider, Hansjakob (2017): Sprachliche Anforderungen in Biologielehrmitteln. In: Ahrenholz, Bernt; Hövelbrinks, Britta und Schmellentin, Claudia (Hrsg.): Fachunterricht und Sprache in schulischen Lehr-/Lernprozessen. Tübingen: Narr. S. 73–91.

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