
nets21 – Kolloquium
Kolloquium 09: Mündliche Leistungssituationen an Pädagogischen Hochschulen und Berufsschulen
15.04.2025, PHZH, LAA-L041
Informationen
Anmeldung bis 28.02.25 an: judith.kreuz@phzg.ch
Inhalte
Das neunte Kolloquium widmet sich zwei Forschungsprojekten, die mündliche Prüfungs- und Leistungssituationen an Pädagogischen Hochschulen und Berufsschulen aus Sicht von Studierenden und Dozierenden sowie Praxislehrpersonen/Mentoratspersonen beleuchten.
In der Datensitzung von Judith Kreuz, Nadine Nell-Tuor und Stefan Hauser (PH Zug) werden mündliche Prüfungsinteraktionen (Basis- und Diplomprüfungen) von Primarschulstudierenden aus den Fächern Englisch, Sport & Bewegung, NMG sowie Deutsch mittels Videos und Transkripten präsentiert und sowohl gesprächsanalytisch als auch hochschuldidaktisch diskutiert. Nicole Ackermann (PH Zürich) stellt in ihrer Datensitzung das Forschungsprojekt «Portfolio in der beruflichen Bildung» vor. In diesem Projekt werden Ausprägung und Veränderung transversaler Kompetenzen – Dokumentieren, Reflektieren und Präsentieren – kaufmännischer Lernenden durch die Arbeit am Portfolio mittels eines explorativen und fallbasierten Forschungszugangs beforscht.
Im Anschluss soll der informelle Austausch bei einem gemeinsamen Apero weitergeführt werden. Wir freuen uns über zahlreiche Interessierte!
Organisation
Judith Kreuz & Stefan Hauser (PH Zug)
Abstracts Fachvorträge
Judith Kreuz, Nadine Nell-Tuor, Stefan Hauser (PH Zug): Mündliche Prüfungs- und Leistungssituationen an der Pädagogischen Hochschule. Gesprächsanalytische und hochschuldidaktische Perspektiven
Aufgrund der Tatsache, dass künstliche Intelligenz zunehmend für die schriftliche Leistungserbringung (z.B. wissenschaftliche Arbeiten) an Hochschulen eingesetzt wird, lässt sich eine Tendenz hin zu mündlichen Prüfungsformaten beobachten. Neben einer qualitativ hochwertig gestalteten Lehre ist auch das Prüfen eine zentrale Tätigkeit der Dozierenden (Arbeitsgemeinschaft für Hochschuldidaktik, 2005). Jedoch weiss man «nicht viel über das akademische Prüfen in der Hochschullehre» (Reinmann 2019, S. 611) und die theoretische und empirische Beschäftigung mit Prüfungen ist bislang «eine Leerstelle pädagogischer Reflexionen» (Ricken & Reh 2017, S. 247). Dies mag u.a. an der schwierigen Erhebungssituation von authentischen Daten liegen, da die Prüfungssituation von der Mehrzahl der Studierenden als potentiell belastend erlebt wird und diese im Rahmen von Prüfungen an keiner wissenschaftlichen Untersuchung teilnehmen möchten (Fritzsche & Kröner, 2015).
Genau hier setzt das Projekt an, indem es durch vielfältige methodische Zugänge mündliche (Diplom- und Basis-)Prüfungen sowohl aus Perspektive der Prüfenden als auch Studierenden untersucht. Neben einer allgemeinen Analyse von Prüfungsformaten sowie Einstellungen und Wahrnehmungen aller Beteiligten (qualitative Interviews mit Prüfenden und Studierenden, Mayring, 2022) liegt der Fokus auf mündlichen Praktiken in der Prüfungsinteraktion selbst. Zusätzliches Datenmaterial entstand im Herbst 2024 durch den diskursiven Austausch mit den Prüfenden bei einer gemeinsamen Videoanalyse ihrer Prüfungen (stimulated recall, Messmer, 2015). Die daraus gewonnen Erkenntnisse werden in die Interpretation der Daten mit einbezogen.
In der Datensitzung wird eine Auswahl mündlicher Prüfungsinteraktionen aus den Fächern Englisch, NMG, Sport & Bewegung sowie Deutsch auf der Grundlage von Videos und Transkripten (GAT II) diskutiert. Dabei interessieren sowohl gesprächsanalytische als auch hochschuldidaktische Fragestellungen.
Literatur
Arbeitsgemeinschaft für Hochschuldidaktik (2005): Leitlinien zur Modularisierung und Zertifizierung hochschuldidaktischer Weiterbildung. Verifiziert am 19.04.2024: https://www.h2.de/fileadmin/user_upload/Einrichtungen/ZHH/projekte/AHD_Leitlinien.pdf
Mayring, P. (2022): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz.
Messmer, R. (2015): Stimulated Recall als fokussierter Zugang zu Handlungs- und Denkprozessen von Lehrpersonen. Forum Qualitative Sozialforschung FQS, 16(1), Art. 3., o.S.
Reinmann, G. (2019): Forschendes Lernen prüfen. Hochschuldidaktische Gedanken zu einer Theorie des Prüfens. Zeitschrift für Pädagogik, 65(4), 608 – 626.
Ricken, N., & Reh, S. (2017): Prüfungen – systematische Perspektiven der Geschichte einer pädagogischen Praxis. Einführung in den Thementeil. Zeitschrift für Pädagogik, 63(3), 247 – 258.
Fritzsche E. & Kröner, S. (2015): Prüfen in der Hochschullehre: Impulse aus der Forschung für eine gute Praxis. Schriften zur Hochschuldidaktik. Beiträge und Empfehlungen des Fortbildungszent-rums Hochschullehre der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Nicole Ackermann, PH Zürich: Portfolio in der beruflichen Bildung
Relevanz. Das Portfolio in der beruflichen Bildung ist ein Instrument zur Stärkung der inhaltsbezogenen Lernortkooperation, zur Förderung transversaler Kompetenzen der Lernenden und zur Sensibilisierung für lebenslanges Lernen (Ackermann & Zehnder, 2024). Im Portfolio dokumentieren und reflektieren die Lernenden ihre Kompetenzentwicklung an den drei Lernorten. Mit der Berufsreform «Kaufleute 2023» in der Schweiz wurde das Portfolio im kaufmännischen Lehrplan verankert und fliesst ins Qualifikationsverfahren ein (Ackermann & Heinecke, 2023). Allerdings fehlt es bislang an evidenzbasierten Erkenntnissen zum Portfolio in der beruflichen Bildung, insbesondere hinsichtlich Ausprägung und Veränderung der transversalen Kompetenzen der Lernenden durch die Arbeit am Portfolio und hinsichtlich einer wirkungsvollen Umsetzung des Portfolio-Konzepts und seiner Elemente an den Berufsschulen.
Erkenntnisinteresse und Fragestellung(en). Mit dem Forschungsprojekt «Portfolio in der beruflichen Bildung» sollen transversale Kompetenzen – Dokumentieren, Reflektieren und Präsentieren – kaufmännischer Lernender durch die Arbeit am Portfolio mittels eines explorativen und fallbasierten Zugangs beforscht werden. Die übergeordnete Forschungsfrage lautet: Inwiefern trägt das Portfolio in der beruflichen Bildung zu den transversalen Kompetenzen der Lernenden bei? Für die Bearbeitung dieser übergeordneten Forschungsfrage werden drei Teilprojekte definiert. Teilprojekt 3 widmet sich dem jährlichen «portfoliobasierten Standortgespräch» zwischen Lehrer:in und Lernende. (F3.1) Wie ist Gesprächsstruktur und -prozess im portfoliobasierten Standortgespräch ausgeprägt?
Methodik (TP3). Die Standortgespräche werden mittels Audio-/Videogeräte aufgezeichnet und nach erweiterten Regeln manuell transkribiert (Dresing & Pehl, 2015). Die Transkripte bzw. Audio-/Videoaufzeichnungen werden verschiedenen qualitativen Analyseverfahren unterzogen. Für Fragestellung (F3.1) wird das Material in einem ersten Analyseschritt mittels inhaltlich-strukturierend qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring, 2022) hinsichtlich der Dimension Gesprächsstruktur unter-sucht: Gesprächsphasen, Gesprächsthema, Gesprächsrhythmus. In einem zweiten Schritt wird das Material mittels inhaltlich-strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse und/oder linguistischer Ge-sprächsanalyse hinsichtlich der Dimension «Gesprächsprozess» untersucht: IRF-Sequenzen, d. h. Initiation, Response, Feedback.
Im nets21 Kolloquium soll das entwickelte Analyseinstrument anhand zweier Transkripte aus dem Dokumentenkorpus ausprobiert werden. Zudem soll das Potenzial von Inhaltsanalyse bzw. Gesprächsanalyse für dieses Material hinsichtlich Gesprächsform (Zweck und Gegenstand des Standortgesprächs) und deskriptiver/normativer Kriterien (was ist ein gutes Gespräch?) diskutiert werden.
Literatur:
Ackermann, N. & Heinecke, S. (2023). Was lernen zukünftige Kaufleute? Eine qualitative Analyse des neuen Lehrplans für die kaufmännischen Berufsschulen in der Schweiz. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Spezial 20: Die Förderung von transversalen Kompetenzen in der Berufsbildung, hrsg. v. A. Barabasch & S. Fischer, 1–26. https://www.bwpat.de/spezial20/ackermann_heinecke_spezial20.pdf
Ackermann, N. & Zehnder, S. (2023). Didaktischer Leitfaden Portfolio: Orientierung und Anregung für die Umsetzung der Berufsreformen «Kaufleute 2023» und «verkauf 2022» am Lernort Schule. Pädagogische Hochschule Zürich und 2B Berufe Bildung GmbH. https://doi.org/10.5281/zenodo.8357987
Dresing, T. & Pehl, T. (2015). Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse: Anleitungen und Regelsysteme für qualitativ Forschende (6. Auflage). www.audiotranskription.de/praxisbuch (19.08.2024)
Mayring, P. (2002). Einführung in die qualitative Sozialforschung: Eine Anleitung zu qualitativem Denken. Beltz.